Dienstag, 5. März 2013

I Call Poe On That One (und zwar auf Deutsch, meine Lieben!)

Unter dem Titel "Aufmarsch der Hyperkorrekten" hat sich ein gewisser, sonst unauffälliger Alexander Kisser die Seele aus dem Leib geschrieben. Das ist zunächst einmal einfach einer, der uns auch schon über "Religionsfeindlichkeit, die neue Trendsportart" und ähnliche abendländische Untergänge ausgesprochen amüsant zu unterhalten verstanden hat.

Meine Mutmaßung: Es muss sich hier um einen Poe handeln. Wie anders ist zu erklären, dass er ausgerechnet die alten, doch deshalb noch lange nicht zusammengewachsenen Themen Vegetarismus und Homosexualität wieder in die ihnen ausschließlich von unseren lieben Fundis verordnete Zwangsehe presst? Gewiss verlässt er sich auf unseren Feinsinn, unser Ironiegespür, wenn er - ausgerechnet in einem öffentlichen Artikel im Internet - den Verlust seiner Meinungsfreiheit beklagt. Dass es sich bei seiner um eine Meinung handelt, die dank ihrer jahrtausendelangen politischen Umsetzung mit allen Mitteln von politischer Macht und frommer Rücksichtslosigkeit Millionen von Menschen in ihrer Freiheit massiv beschnitten hat und auch heute noch beschneidet, gibt dem ganzen erst den gehörigen Pfeffer. Es hat schon ein gerüttelt Maß an Metahumoristik, wenn so einer so etwas abseimt.

Ich vermute aber, er möchte uns nur auf künstlerisch subversive Weise darauf hinweisen, dass einige wenige unter unseren lieben christlichen MitbürgerInnen das Konzept der Meinungsfreiheit noch nicht vollständig zerebral resorbiert haben dürften. Sie laborieren scheinbar unter dem Wahn, dass es sich dabei um die Freiheit handelt, unter allen Umständen alles und jedes hervorzuwürgen, ohne dass ihnen widersprochen wird. Zur Sicherheit sei es noch einmal erwähnt, wenn es denn auch das hunderttausendste Mal ist: es geht ausschließlich darum, dass der Staat, und nur der Staat, die Absonderung auch absonderlicher Meinungen nicht zu verhindern hat, sofern sie nicht gegen höheres Rechtsgut verstößt.

Interessant ist natürlich immer auch die Frage, worin eigentlich die beklagte Unterdrückung besteht - um echte fundamentalistische DenkerInnen noch besser imitieren zu können, hat der Autor jede Andeutung dazu gekonnt vermieden. Ich vermute, er meint damit, dass ihm die letzten beiden Male, als er seine leise Furcht vor den privaten sexuellen Präferenzen wildfremder Leute offen zur Sprache brachte, jemand mit ein paar handfesten Argumenten lautstark klargemacht hat, warum er falsch gewickelt ist. Wenn du Schwachsinn reden darfst, darf ich auch entsprechend darauf antworten. So ist es nun einmal. Aber eine solche parodistisch überhöhte Wehleidigkeit kennen wir ja von vielem, was im Fundianerlager die Veräppelung tanzt, um dessen tolldreiste Dummheit der verdienten Lächerlichkeit preiszugeben.

Um beim Thema der gekonnten Parodie zu bleiben: Ganz besonders schmunzeln musste ich beim Satz "Wer es aber wagt, leise Zweifel anzumelden, zum Beispiel, ob vielleicht Homosexuelle doch nicht die besseren Eltern sind, der wird in Bann und Acht gesteckt, vergleichbar dem mittelalterlichen Spießrutenlauf." Auch bei langen, tiefen und tiefsinnigen Meditationen will sich meinem Gedächtnis keine Szene erschließen, in der jemand behauptet hätte, Homosexuelle seien bessere Eltern. Schon gar nicht kann ich mich an Szenen erinnern, in denen irgendjemand wegen seiner Angst vor dem bösen Schwulen zu einer tödlichen militärischen Strafe verurteilt wurde. (Nachlesen hilft durchaus, bevor man sich in unpassende Metaphern versteigt.) Soweit ich mich erinnere, war es am Stammtisch noch vor so ein, zwei Jahren durchaus normal, dass gegen Schwule gehetzt wurde, meist nach der höchst versöhnlichen Einleitung "Ich hab ja nix gegen Schwule... ABER...". Eine dem entsprechende Hetze gegen Heten meine ich hingegen kein einziges Mal gehört zu haben.

Man hätte halt gern mal ein paar handfeste, methodisch saubere Studien, die belegen, dass Homosexuelle schlechtere Eltern sind. (Schlechter inwiefern übrigens, gemessen woran? Wie geht man daran, das zu messen? Und wenn ja, wie groß ist überhaupt die Standardabweichung der Elternqualität? Stellen sich manche in ihrer skurrilen Weltsicht tatsächlich vor, dass zwei hasserfüllte, dafür aber heterosexuelle Eltern, die ihre Kinder schlagen und vergewaltigen, für diese Kinder besser sind als zwei liebende Männer oder .... oh Schreck... gar Frauen, weil letztere nicht dem Natur-, Schöpfer- und Volkswillen entsprechen, erstere aber schon?)

Ja, ich würde so etwas unter Umständen sogar lesen. Und dann die Metastudie dazu. Ich lasse mich jederzeit davon überzeugen, dass Schwulenehe bzw. Adoption durch Homosexuelle eine schlechte Idee ist - nur bräuchte es dazu halt Argumente und Evidenz statt Essentialismus und Intuition. Ich gebe nicht vor, zu wissen, welche Kombination von Eltern ideal ist - ich vermute eher, dass es niemand weiß. Und die, die behaupten, es doch zu wissen, kommen mir allgemein etwas um Argumente verlegen vor. Ganz davon abgesehen, dass das Leben nun einmal im Großen und Ganzen zumeist nicht sonderlich ideal verläuft.

In der Gesamtwertung war der Artikel eine parodistische Glanzleistung, die ich sehr gerne gelesen habe.

An einer Stelle hat mir der Artikel allerdings doch nicht so sehr gefallen. Da hat er seine ironische Absicht ein wenig zu deutlich verraten. Wenn er gegen Unisex-Toiletten anschreibt, weiß auch noch der letzte internetzkulturell herausgeforderte Mensch: Jetzt will er uns verarschen.

1 Kommentar:

  1. So viel Gelabere mit dem Anspruch auf Ernsthaftigkeit.
    Und das als Antwort auf eine - übrigens sehr amüsante - politische Glosse.
    Mensch, Mann, Sie haben echt nichts kapiert.

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